Geschädigte des FTX-Bankrotts tun sich zusammen, um ihr verlorenes Krypto-Vermögen zurückzubekommen – es könnte mehr zu holen sein als erwartet
Millionen Kunden weltweit haben mit dem Kollaps der Krypto-Börse FTX Geld verloren. Die Bemühungen, Vermögen für die Gläubiger zu finden und zu sichern, nehmen Fahrt auf, auch in der Schweiz.
Krypto-Fans fassen nach der FTX-Pleite im vergangenen November wieder Mut. Trotz Rückschlägen wie zuletzt der Insolvenz des Brokers Genesis scheint die Branche an ein Comeback zu glauben. Darauf lässt zumindest die Hausse bei der Krypto-Leitwährung Bitcoin schliessen. Seit Anfang Jahr hat sie fast 40 Prozent gewonnen und hat die Marke von 23 000 Dollar überschritten. Ob das bloss ein Strohfeuer ist, muss sich weisen; doch auch dies ändert nichts daran, dass Aufarbeitung und Abwicklung des FTX-Skandals erst richtig begonnen haben.
So hoffen rund neun Millionen Kontoinhaber, irgendwann zumindest einen Teil ihrer bei FTX hinterlegten Vermögen zurückzubekommen. Gemäss Gerichtsunterlagen dürfte FTX allein den zehn grössten Gläubigern 1,45 Milliarden Dollar schulden. Angesichts des Chaos, den die Insolvenzverwalter im FTX-Firmengeflecht vorgefunden haben, wird das Verfahren komplex und langwierig. Dennoch sind Gläubiger in den Vereinigten Staaten, aber auch in der Schweiz dabei, sich zu organisieren, um ihre Ansprüche geltend zu machen.
Weitere Sammelklagen
Ende Dezember wurde am Konkursgericht im Bundesstaat Delaware eine weitere Sammelklage gegen FTX, das angehängte Handelshaus Alameda-Research sowie den ehemaligen FTX-Chef Sam Bankman-Fried eingereicht. Dabei geht es noch nicht um finanzielle Forderungen, sondern erst um die Priorisierung von Ansprüchen. Die Klage will erreichen, dass rückverfolgbare Kundenvermögen nicht in die Konkursmasse von FTX oder Alameda fliessen. Falls gefundene Assets als Eigentum von Krypto-Brokern betrachtet werden, sollen Privatkunden ein vorrangiges Recht auf Rückzahlung erhalten. Im Nachgang zur Insolvenz wurden bereits sieben weitere Sammelklagen eingereicht.
Die meisten professionellen Krypto-Investoren aus der Schweiz sind mit dem Schock davongekommen. In einer vor einer Woche veröffentlichten und 116 Seiten umfassenden Gläubigerliste stammen nur etwa zwei Dutzend Geschädigte aus der Schweiz, darunter bekannte Namen wie die Zurich-Versicherung, die Krypto-Bank Seba, die Zürcher Privatbank Maerki Baumann, drei Anwaltskanzleien, die Tezos Foundation sowie der Verwalter eines Schweizer Krypto-Fonds, der wegen FTX Verluste erlitten hatte. Auch Organisationen wie die Finanzmarktaufsicht (Finma) oder die Weltorganisation für geistiges Eigentum (Wipo) tauchen auf.
Die Zurich-Versicherung nimmt auf Anfrage keine Stellung zu möglichen Ansprüchen. Es wird lediglich festgehalten, dass man selbst nicht im Bereich der Krypto-Anlagen tätig sei. Ein Berührungspunkt mit FTX wäre indirekt im Anlagegeschäft oder über Dritte denkbar. Die auf Krypto spezialisierte Seba Bank sieht sich gar nicht als Gläubigerin. Auf Anfrage bekräftigt sie, dass Seba keine Geschäftsbeziehung mit der Handelsplattform geführt und FTT – den Token von FTX – weder angeboten, gehandelt noch verwahrt habe. Auch Maerki Baumann hat gemäss Angaben von CEO Stephan Zwahlen keine ausstehenden Forderungen und sieht keinen erlittenen Schaden. Die Frage eines juristischen Verfahrens stelle sich deshalb nicht. Der Ableger FTX Europe habe bei der Privatbank aber ein «kleines operatives Geschäftskonto» geführt, für Löhne, Miete und Ähnliches.
Forderungen aus der Schweiz
Profi-Investoren scheinen also weitgehend verschont. Anders sieht es bei Privaten aus. Mehrere Schweizer Anwaltskanzleien beschäftigen sich derzeit mit dem Fall. «Wir stehen in Kontakt mit über einem Dutzend FTX-Geschädigten», sagt Andreas Glarner, Partner bei der Kanzlei MME. Dabei handle es sich sowohl um natürliche wie juristische Personen. Man beobachte die Entwicklungen in Übersee genau, sei aber erst dabei, Forderungseingaben vorzubereiten; die Eingabefristen im Verfahren seien noch nicht festgelegt.
Die Forderungen würden danach zusammen mit einer Kanzlei in den USA betreut, sagt Glarner. Die gesamte Anzahl Geschädigter in der Schweiz lässt sich nicht genau ermitteln, geschätzt könnte es eine Zahl im tiefen Tausenderbereich sein. Der Anwalt stellt die Klienten auf ein langwieriges Verfahren ein. «Es ist unwahrscheinlich, dass im Fall FTX in weniger als 12 Monaten erste Ergebnisse vorliegen werden», sagt er. Für Geschädigte ist es nicht zwingend, über eine Anwaltskanzlei zu gehen. Grundsätzlich können Ansprüche auch direkt angemeldet werden.
Einzelne Geschädigte haben sich auch noch nicht entschieden, ob sie sich überhaupt auf ein langes und kostspieliges Verfahren einlassen wollen oder es vorteilhafter ist, die erlittenen Verluste einfach abzuschreiben. Ob eine Forderung sinnvoll ist, hängt auch von der Höhe der im Insolvenzverfahren gesicherten Vermögen ab. Es muss zwar davon ausgegangen werden, dass es eine grosse Lücke zwischen Vermögen in der Konkursmasse und Forderungen geben wird. Trotzdem könnte es mehr zu holen geben als nach der Pleite befürchtet.
FTX: Vermögenswerte könnten einen substanziellen Gegenwert haben
in Millionen Dollar
Wie viele Milliarden?
Denn gemäss eingereichten Gerichtsunterlagen haben drei US-Anwaltskanzleien, die in das Verfahren involviert sind, bisher 5,5 Milliarden Dollar an «liquiden Vermögenswerten» gefunden. Darunter befinden sich rund 1,7 Milliarden Dollar in Cash, Krypto-Währungen im Gegenwert von knapp 3,5 Milliarden sowie 300 Millionen in Form anderer Wertschriften. Davon wurden 426 Millionen Dollar von den Behörden auf den Bahamas festgesetzt. Krypto-Vermögen im Gegenwert von 415 Millionen Dollar gelten als gestohlen und sind endgültig verloren – die FTX-Plattform wurde zwei Tage vor der Insolvenz gehackt.
Zusätzlich sind die Insolvenz-Anwälte auf ein Investment-Portfolio mit einem Buchwert von 4,6 Milliarden Dollar gestossen. Dabei handelt es sich um Investitionen von FTX und Alameda in über 300 Krypto-Anbietern, -Fonds und -Token. Zum Buchwert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es sich um Anschaffungspreise handelt. Der effektive Wert dieser Beteiligungen dürfte wesentlich tiefer liegen. Verfügbarkeit und Werthaltigkeit der Krypto-Bestände müssen ebenfalls infrage gestellt werden.
Es werden weitere Massnahmen in Aussicht gestellt, um die Konkursmasse zu vergrössern. So sollen Tochtergesellschaften wie LedgerX, FTX Japan, FTX Europe und Embed verkauft werden. Auch der Verkauf von 36 Immobilien auf den Bahamas könnte gemäss den Gläubiger-Anwälten bis zu einer Viertelmilliarde Dollar einbringen. Die Rückforderung von Kundenauszahlungen (Claw Backs), die unmittelbar vor der Insolvenz stattgefunden haben, ist ebenfalls ein Mittel, auf das zurückgegriffen werden könnte.
Der Insolvenzverwalter John J. Ray III brachte gegenüber dem «Wall Street Journal» sogar eine Neulancierung der internationalen Handelsplattform FTX.com ins Spiel. Wie gross die Konkursmasse letztlich sein wird und wie viel davon an die Geschädigten zurückgezahlt werden kann, ist offen. Einige Milliarden Dollar dürften zusammenkommen. Für Geschädigte, denen diese Aussicht zu wenig attraktiv ist, gibt es Alternativen. So kann man auf spezialisierten Plattformen Krypto-Forderungen zum Verkauf anbieten. Entspricht ein Angebot den Vorstellungen, können Geschädigte so unter Umständen schneller zu einer nennenswerten Auszahlung kommen.
Author: Joshua Lewis
Last Updated: 1700243281
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