EZB geht im November nächsten Schritt Osnabrücker Experte erklärt: Warum brauchen Verbraucher einen digitalen Euro?
Im November beginnt die Vorbereitungsphase für die Einführung eines digitalen Euros. Doch was bringt er dem Verbraucher? Heiko Engelhard, Vorstand der Vereinigten Volksbank Bramgau Osnabrück Wittlage, gibt Antworten.
Mit einem digitalen Euro bezahlen? In fünf Jahren könnte das möglich sein, hat Bundesbankpräsident Joachim Nagel jüngst in Aussicht gestellt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat grünes Licht für die nächsten Schritte hin zu einer digitalen Version der Gemeinschaftswährung gegeben.
Am 1. November 2023 beginnt die sogenannte Vorbereitungsphase. Sie ist auf zwei Jahre ausgelegt. In dieser Zeit sollen das Regelwerk fertiggestellt sowie Anbieter für die Entwicklung einer Plattform und Infrastruktur ausgewählt werden. Doch was hat der Verbraucher von alledem? Heiko Engelhard, Vorstand der Vereinigten Volksbank Bramgau Osnabrück Wittlage, gibt Antworten – auch dazu, warum die Bedeutung aus seiner Sicht über den Kundennutzen hinausgeht:
Herr Engelhard, was ist ein digitaler Euro?
Der digitale Euro ist nichts anderes als ein Zwilling zum haptischen Geldschein – mit allen Vor- und Nachteilen. Statt das Geld in einer physischen Geldbörse mitzunehmen, hat der Verbraucher seine digitalen Euro beispielsweise auf dem Handy oder auf einem digitalen Träger. Nur steht anders als bei Digitalwährungen wie Bitcoin und Co. hinter dem digitalen Gemeinschaftsgeld keine Kryptobörse, sondern eine Notenbank. Die technischen Details kennen wir allerdings noch nicht, hierzu will die Europäische Zentralbank in den nächsten Monaten Vorschläge machen.
Der Verbraucher hat eine Girokarte, möglicherweise auch eine Kreditkarte. Er kann beide auch auf sein Handy laden. Es gibt Paypal, Applepay und Co. Wozu braucht es noch eine Bezahlfunktion?
Wir müssen unterscheiden zwischen Bargeld auf der einen Seite und Giralgeld auf der anderen. Giralgeld ist das Geld, das auf dem Konto liegt und für Transaktionen mit der Bankkarte eingesetzt werden kann. Wenn Verbraucher ihre Karte einsetzen, läuft im Hintergrund ein Transaktionsmechanismus, der dafür sorgt, dass das Geld von einem Konto auf ein anderes übergeht. So läuft es im Übrigen beispielsweise auch bei Paypal. Der digitale Euro könnte hingegen funktionieren wie Bargeld – ohne diese Mechanismen im Hintergrund.
Heiko Engelhard ist Vorstand der Vereinigten Volksbank Bramgau Osnabrück Wittlage. Foto: Swaantje Hehmann
Also auch anonym? Wie funktioniert das?
Wer heute am Geldautomaten Geld abhebt, bekommt Scheine ausgezahlt. Vorbehaltlich der genauen technischen Details, kann künftig diese Summe stattdessen auch in eine digitale Geldbörse übertragen werden, vermutlich auch auf anderem Wege, zum Beispiel direkt aus dem Online-Banking. Das kann eine sogenannte „Wallet“ sein, ähnlich wie bei Apple. Das kann aber unter Umständen auch ein kleiner digitaler Träger sein. Quasi wie eine Prepaid-Karte oder die Chip-Funktion, die es schon mal auf Geldkarten gab. Das Geld ist also schon vom Konto abgebucht, somit bleibt der Verbraucher beim Zahlen ebenso anonym wie mit Bargeld. Allerdings gilt auch: Geht der Datenträger verloren, ist auch das aufgeladene Geld weg – ebenso wie bei einer verloren gegangenen Geldbörse.
Wo liegen aus Ihrer Sicht – abgesehen von der Anonymität der Zahlung – die Vorteile?
Aus Verbrauchersicht ist das Recht auf ein analoges Leben, bei dem Bargeld eine entscheidende Rolle spielt, sicherlich der größte Faktor. Das würde mit einem digitalen Euro geschützt. Und das ganze System ist sehr barrierearm und somit auch für diejenigen Menschen geeignet, die bislang digitale Transaktionen meiden. Und das ist ein ganz wichtiger Aspekt: Schätzungen gehen zum Beispiel davon aus, dass in den skandinavischen Ländern, in denen die digitalen Bezahlformen mit Bank- oder Kreditkarte schon deutlich weiterverbreitet sind als bei uns, circa fünf Prozent der Bevölkerung teilweise vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden, weil sie am digitalen Zahlen nicht teilnehmen können oder wollen.
Wie soll das Bezahlen mit dem digitalen Euro funktionieren?
Beim digitalen Bezahlen wird es auch künftig die zwei Möglichkeiten geben: ,Online‘, ähnlich wie heute schon mit der Bank- oder Kreditkarte, und ,Offline‘, ohne Netzverbindung über die Händlerterminals an der Kasse per sogenannter NFC-Technik. Statt dem Händler Geldscheine zu geben, wird der digitale Datenträger auf ein entsprechendes Lesegerät gehalten und die Summe wie von einer Prepaidkarte direkt übertragen, so als wenn ich einen Geldschein über die Ladentheke reiche.
Wie steht es mit dem Thema Geldwäsche?
Es wird ein Limit geben, wie viele Euro jeder Verbraucher digital dabeihaben kann. Wie hoch das ausfällt, das ist aktuell noch ein Knackpunkt. Die EZB schlägt 3000 Euro maximal vor. Damit kann kein Haus oder teurer Sportwagen bezahlt werden. Aus Bankensicht ist das, wenn der digitale Euro neben dem analogen besteht, allerdings viel. Statistiken zeigen, dass Verbraucher so viel Bargeld – und genau so soll er ja funktionieren – auch nicht in der Tasche haben. Wir schlagen zum Start ein Limit von 500 Euro vor.
Und wenn man sich mehrere digitale Träger besorgt?
Ich gehe davon aus, dass es für jeden legitimierten Kunden einen digitalen Träger geben wird. Alles andere würde der Geldwäsche Tür und Tor öffnen. Für den üblichen Verbraucher reicht das auch aus, denn der digitale Euro ist für den Alltag gedacht – dort, wo heute auch Bargeld eingesetzt wird.
Wie steht es um die Fälschungssicherheit?
Die Fälschungssicherheit kommt über die technischen Standards der Europäischen Zentralbank, die in den kommenden Monaten arbeitet werden sollen.
Trotz alledem erscheint der Verbrauchernutzen eines digitalen Euros doch begrenzt.
Das sehe ich differenzierter: Wir sollten die Barzahlung nicht als das Zahlungsmittel derjenigen abqualifizieren, die sich digital abgehängt fühlen. Die Vorteile für den Privatkunden sind: einfach, barrierefrei, kostengünstig, anonym. Aber es ist zum Beispiel auch nachhaltiger: Bei der Barzahlung erfolgt die Zahlung direkt vor Ort – auch digital. Man braucht keine riesigen Serverfarmen mit hohem Stromverbrauch, um die Bezahlung der Brötchen beim Bäcker um die Ecke einmal „über den halben Globus“ zu schicken. Bargeld hilft zudem vielen, die eigenen Finanzen besser im Blick zu behalten – ein wichtiger Aspekt in der aktuellen Verschuldungsdiskussion von Verbrauchern. Kurzum: Wir können die Vorteile des Bargelds in die digitale Welt übertragen. Ob dies so geschieht, wird am Ende die EZB bzw. die Politik entscheiden.
Wie steht es mit den Vorteilen für andere Player?
Was bei der Zahlung per digitalem Euro trotz des Barzahlungscharakters wegfällt, ist die mühselige Suche in der Geldbörse nach Kleingeld oder die Herausgabe von Wechselgeld, was diese Zahlform auch für Händler durchaus attraktiv macht. Denn die Kosten für den Kassiervorgang reduzieren sich. Hinzu kommt, dass ein gut gemachter digitaler Euro überall funktionieren könnte, auch ohne Internetverbindung. All diese Vorteile haben wir vergessen, weil wir uns an die Kartenzahlung so gewöhnt haben, aber sie sind heute so aktuell wie früher.
Und schließlich – und das ist die strategische Positionierung – sollte Europa möglichst viele eigene Alternativen für das Bezahlwesen behalten. Zwar sind mit dem SEPA-Verfahren und unseren girocards in Deutschland gut aufgestellt, sollten aber dennoch frühzeitig vorbauen, uns nicht von einigen amerikanischen Konzernen abhängig zu machen.
Ist der digitale Euro der Anfang vom Ende des Bargelds?
Die Digitalisierung halten wir nicht auf. Dennoch glaube ich nicht, dass Bargeld ein Auslaufmodell ist. Klar: Die Papierscheine und Metallmünzen werden an Bedeutung verlieren. Aber es wird daran liegen, inwieweit die Akzeptanz von Bargeld im Handel erhalten bleibt. Heute werden noch immer 60 Prozent aller Transaktionen in bar getätigt, vor allem die kleineren Zahlbeträge. Es muss also darum gehen, die Vorteile von Bargeld auf die digitale Welt zu übertragen. [Bar-] „Geld ist geprägte Freiheit“, hat Dostojewski schon Mitte des 19. Jahrhunderts geschrieben. Das gilt heute immer noch – daher wird die Vereinigte Volksbank das Projekt nach Kräften unterstützen.
Author: Marvin Wagner
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